Haltung und Zucht des Hyazintharas

von

Hans-Jürgen Künne

Eine der schillerndsten Erscheinungen in der Welt der Papageien ist für mich der Hyazinthara. War ich schon durch das Verhalten und das Aussehen der anderen Aras zutiefst beeindruckt, so übertrifft dieser "blaue Ara" seine Verwandten noch in vielen Dingen. Er zählt meiner Meinung nach zu den intelligentesten Papageien (vielleicht ist er sogar der intelligenteste). Nachfolgend möchte ich meine Beobachtungen und Erfahrungen wiedergeben.

Beim Drohen legen die Hyazintaras (hier das Zuchtpaar) in der Regel den Schnabel auf einen Ast oder einen anderen Gegenstand. Dies kann man schon bei einem 85 Tage alten Jungvogel im Nistkasten beobachten.


Im Herbst 1987 konnte ich von einem Züchter einen männlichen Hyazinthara erwerben, der vorher gemeinsam mit einem zweiten Männchen gehalten worden war. Dieses Tier machte zwar einen gesunden Eindruck, doch war das Gefieder nicht in einem besonders guten Zustand. Einige Federn leuchteten nicht in dem üblichen Blau, sondern waren schwarz. Gelegentlich werden die schwarzen Federn als Merkmal fur die Altersbestimmung der Tiere herangezogen (schwarze Federn = Jungvogel), doch trifft dieses mit Sicherheit nicht zu. Es ist lediglich die Struktur der Feder zerstört. Dadurch sind die üblichen Farben nicht mehr zu erkennen und die Feder erscheint schwarz. Ähnliches konnte ich schon mehrfach bei Amazonen nach der Quarantänezeit beobachten. Durch das Zusammenpferchen der Tiere wird deren Gefieder so stark beansprucht, daß es teilweise zerstört wird und einzelne Federn schwarz erscheinen. Nach der ersten Mauser sind diese Federn wieder normal gefärbt. So auch bei meinem Hyazinthara.

Kurze Zeit später erhielt ich ein Weibchen. Es wurde allein in einer Voliere gehalten, da kein Männchen zur Verfügung stand. Beide Aras setzte ich ohne Eingewöhnungsphase direkt zusammen. Es gab zwar keine Beißereien, jedoch vertrugen sie sich in den ersten vier Wochen nur leidlich. Dann plötzlich schrumpfte ihre Individualdistanz immer mehr, und schließlich saßen sie regelmäßig eng beieinander. Von nun an konnte ich ständig gegenseitiges Gefiederkraulen beobachten.

Eine Scheinkopulation, ausgelöst durch das Betreten der Voliere.

Obwohl das Männchen bis zur ersten Eiablage dominierte (es war immer zuerst am Futternapf und fraß auch die meisten Nüsse), harmonierten die Hyazintharas jetzt hervorragend. Während das Weibchen recht scheu war und mir gegenuber immer auf Distanz blieb, nahm das männliche Tier die angebotenen Nüsse aus der Hand. Dabei konnte ich Unterschiede im Verhalten zu meinen anderen Aras feststellen. Während Tiere der Gattung Ara immer nur eine Nuß mit dem Fuß halten und fressen konnen, sind die Hyazintharas in der Lage, mehrere Nüsse gleichzeitig zu halten. Dabei nehmen sie in jede Kralle eine Nuß, sitzen dann auf dem Lauf (Tarsus) eines Fußes und fuhren mit dem anderen Fuß die zweite Nuß zum Schnabel. Sie können sogar drei Nüsse auf einmal bewältigen, indem sie mit jedem Fuß eine halten, während sie die dritte Nuß im Schnabel zerbeißen. Die abgebissenen Stücke führen sie mit der Zunge zum Schlund (siehe auch Müller-Bierl,1988). Droht ein größeres Stück Nuß auf den Boden zu fallen, klemmen sie dieses zwischen Fuß und Schnabel fest. Erstaunlich ist, daß sie, ohne sich mit den Krallen festzuhalten, absolut sicher auf den Sitzstangen sitzen.

Dieses "Hamstern" der Nüsse ist meiner Meinung nach eine angeborene Verhaltensweise. Der Grund, warum nur die Hyazintharas dieses Verhalten zeigen, ist mir nicht ganz klar. Vielleicht ist die Konkurrenz in den Familienverbänden so groß, daß das "Hamstern" notwendig ist, um genugend Nahrung zu erhalten. Seit Beginn der ersten Brut konnte ich diese Eigenart nicht mehr beobachten. Auch scheint die Dominanz des Männchens seitdem nicht mehr zu bestehen.

Im Gegensatz zu meinen anderen Aras halten sich die Hyazintharas sehr häufig auf dem Boden der Außenvoliere auf. Sie untersuchen alles, was herumliegt, und durchwühlen den Boden regelrecht mit dem Schnabel. Sehr gerne werden dann Steine bis ca. 3 cm Durchmesser aufgenommen. Mit diesen Steinen fliegen die Vogel auf einen Ast, nehmen einen kleinen Seitenast samt Stein in den Schnabel und nagen dann auf diesen herum, ahnlich wie beim Knacken von Palmnüssen (Hohenstein, 1987).

Unterbringung

Im Frühjahr 1988 erhielten die Hyazintharas ein größeres Gehege (Innengehege 2 m x 3 m, Außengehege 3 m x 6 m). Im Innenraum wurden zwei Nistkästen (80 cm x 50 cm x 50 cm), gefertigt aus 4 cm starken Buchenbrettern, aufgestellt. Während der eine waagerecht direkt unter der Decke befestigt wurde, stellte ich den zweiten Nistkasten ebenfalls waagerecht in 1,20 m Hohe auf. Die waagerechte Aufstellung der Kästen ist meiner Meinung nach von Vorteil, weil die Nistmulde in der Regel im hinteren Teil angelegt wird. Werden die brutenden Aras gestört, kommen sie nach vorne zum Einschlupfloch und treten so nicht auf dem Gelege herum. Ebenfalls konnen die Eier nicht mehr so leicht durch hastiges Hineinstürzen der Altvögel in die Bruthöhle zerstört werden.

Das Innengehege wird während der Brutphase 16 Stunden am Tag beleuchtet, sonst wird die Beleuchtungszeit auf 9 Stunden verkürzt. Außerhalb der Brutzeit wird der Nistkasten entfernt.

Das Futter

Bevor ich auf die Zusammensetzung des Futters eingehe, möchte ich kurz erwähnen, daß meiner Ansicht nach die Fütterung einer der entscheidenden Faktoren für das Gelingen der Zucht ist. Sie sollte so abwechslungsreich wie eben möglich sein.

Das Körnerfutter wird während der Brutphase uberwiegend gekeimt angeboten. Wenn Junge aufgezogen werden, biete ich es zusätzlich noch im ungekeimten Zustand an.

Obst (Apfel, Birnen, Kirschen, Pflaumen, Bananen, Apfelsinen usw.), Beeren (Hagebutten, Roter und Schwarzer Holunder, Ebereschen) und Gemüse (Gurken, Zwiebeln, Möhren, Zucchini, Paprika, usw.) werden frisch oder aufgetaut angeboten. Halbreifer, tiefgefrorener Mais ist für Aras ein Leckerbissen. Ich füttere ihn daher ein- bis zweimal die Woche (ein halber Kolben pro Paar). Alles wird in einem großen Napf vermengt und mit einem Weichfuttergemisch (Weichfresserfutter, Honigfutter, Eifutter, Matzinger Hundeflocken, etwas Kalk und Mineralstoffe [Korvimin]) überstreut. Dazu kommen noch einige Brocken Hundefutter (Trimm) sowie Nüsse (Para-, Wal-, Hasel- und Zirbelnüsse) und gelegentlich getrocknete Garnelen. An Fleisch füttere ich Hahnchenknochen und Kotelettknochen mit Fleischresten daran. Diese sind fast so begehrt wie Nüsse.

Im Winter, wahrend der Ruhephase, biete ich kein Keimfutter an. Ebenfalls wird weniger Obst und Gemüse gefüttert. In einem zweiten Napf steht ständig Kalk (Tauben-Gritstein) zur Verfügung. Dieser wird in der Regel von den Hyazintharas innerhalb kürzester Zeit zerlegt. Zusätzlich gebe ich gelegentlich Holzkohle (ich brenne dickere Sitzstangen an). Der Boden der Außenvoliere besteht teilweise aus Erde und ist mit diversen Gräsern und anderen Nahrungspflanzen bewachsen. Gelegentlich konnte ich meine Papageien beim Fressen von Erde beobachten. Sie decken damit vermutlich einen Teil ihres Mineralstoffbedarfs. Frische Weidenzweige stehen ständig zur Verfügung und werden auch regelmäßig zerbissen.

Die erste Brutsaison

1988 geschah in der ersten Jahreshälfte recht wenig. Das Paar harmonierte ausgezeichnet, beachtete die Nistgelegenheiten aber kaum. Das anfangs recht scheue Weibchen wurde langsam zutraulicher.

In der zweiten Jahreshälfte schien das Paar dann doch in Brutstimmung zu kommen. Gelegentlich wurde das Weibchen vom Mannchen gefüttert. Im September kopulierten die Hyazintharas regelmaßig, doch immer noch zeigte das Paar kein Interesse fiir die Nisthöhlen. Ich stellte deshalb in der Außenvoliere zusätzlich einen ausgehöhlten Fichtenstamm (1,2 m hoch, ca. 40 cm Durchmesser) auf. Aber auch er wurde kaum beachtet. Ab Oktober schien der Bruttrieb wieder zu erloschen, und den ganzen Winter über konnten keine Kopulationen mehr beobachtet werden.

Das zweite Jahr

Anfang April brachte ich die zwei Nistkästen wieder im Innenraum an und stellte das Licht sowie die Fütterung um. Schon bald fütterten sich die Tiere wieder, und auch Kopulationen waren wieder zu sehen. Während der Kopulation stoßen die Partner ständig Laute aus, so daß man Paarungen wahrnehmen kann, ohne Sichtkontakt mit den Tieren zu haben (Paarung im Innenraum, was sehr häufig vorkommt). Werden die Hyazintharas bei der Kopulation gestört, unterbrechen sie diese sofort und beginnen zu drohen.

Da beide Vogel immer noch kein gesteigertes Interesse an einer der Nisthöhlen zeigten, vermutete ich, eventuell zwei Männchen zu besitzen (das Männchen hatte seinen männlichen Partner beim Vorbesitzer ebenfalls gefüttert). Deshalb ließ ich das vermeintliche Weibchen endoskopieren (das Männchen wurde bereits kurz nach dem Erwerb endoskopiert). Die Endoskopie ergab jedoch, daß es sich um ein zuchtreifes Weibchen handelte. Die von Winkle 1987 beschriebenen äußeren Geschlechtsmerkmale (Weibchen haben einen federlosen Streifen am Bauch) sind auch an meinem Paar zu erkennen. Ob sie jedoch bei allen Hyazintharas mit Sicherheit auf das Geschlecht hinweisen, muß noch überpruft werden. Einer meiner Gelbbrustaras (Ara ararauna) hatte ebenfalls so einen ausgeprägten federlosen Bereich am Bauch, obwohl es ein garantiertes Männchen war.

Seit dem Tag der Endoskopie zeigten meine Hyazintharas seltsamerweise verstärktes Interesse fur die Nistgelegenheiten. Auch wurden beide Vogel mir gegenüber aggressiver. Anfang Mai habe ich dann ein kleines Experiment durchgeführt. Ich legte den Hyazintharas in jeden Nistkasten ein unbefrüchtetes Ei meiner Dunkelroten Aras (Ara chloroptera). Nachdem das Männchen eines der Eier entdeckt hatte, verhielt es sich sehr aufgeregt. Es blieb lange Zeit im Kasten, und ich hatte den Eindruck, es wolle sein Weibchen ebenfalls hineinlocken. Dieses zeigte jedoch kein Interesse an den Eiern. Zwei Tage später berühigte sich der männliche Vogel wieder, und einen Tag später waren beide Eier zerbrochen.

Bis zu diesem Zeitpunkt bekamen die Tiere nur soviel Futter, wie von ihnen in der Regel auch gefressen wurde. Ich erinnerte mich an Hinweise, dal3 einige Papageienarten zur Brut schreiten, wenn das Nahrungsangebot sich ändert oder erhöht wird. Versuchsweise habe ich meinem Paar ab dem 20.5.1989 sehr viel mehr angeboten, a1s diese aufnehmen konnten. Zusätzlich verdoppelte ich die tägliche Ration Paranüsse (acht Stück pro Tag).

Das Weibchen hielt sich von nun an häufiger in dem halbhoch angebrachten Nistkasten auf. Trotzdem glaubte ich noch nicht an eine Eiablage. Am 24.5.1989 saß dann das Männchen allein in der Außenvoliere und das Weibchen verließ den Nistkasten den ganzen Tag nicht. Zu meiner großen Uberraschung entdeckte ich am Abend bei einer Kontrolle das erste Ei. Seit der Endoskopie des Weibchens waren genau vier Wochen vergangen. Am 28.5.89, also vier Tage später, wurde das zweite Ei gelegt. Bei einer Kontrolle am 1.6.89 erwies sich das zweite Ei als befruchtet. In regelmaßigen Abständen habe ich das Nistmaterial (morsches Holz, welches von den Aras zerkleinert wurde) und die Sandschicht auf dem Boden der Innenvoliere befeuchtet, um die Luftfeuchtigkeit im Innenraum so hoch wie möglich zu halten.

Zum ersten Mal konnte ich nun beobachten, daß sich die Hyazintharas bei meiner Annäherung aufgeregt aneinander schmiegten und ähnlich wie bei einer Kopulation die After gegeneinander preßten. Die Lautäußerungen waren ebenfalls identisch mit denen bei einer Kopulation. Daß es sich hierbei jedoch nicht um eine echte Kopulation handeln kann, ist an den ständig unterbrochenen oder nur kurz angedeuteten Bewegungsablaufen einer Kopulation zu erkennen. Sobald ich mich entferne, beruhigen sich die Vogel wieder. Dieses Verhalten möchte ich als Schein-Kopulation bezeichnen, habe jedoch noch keine Erklärung, wozu es dient. Eine Möglichkeit wäre, dadurch den Zusammenhalt eines Paares bei Angriffen anderer Paare oder Feinde zu festigen. Allerdings ist fraglich, ob freilebende Hyazintharas das gleiche Verhalten zeigen oder ob es nur bei Tieren in Gefangenschaft zu beobachten ist. Ich konnte es bisher nur bei meinen Hyazintharas, nicht aber bei meinen anderen Aras sehen.

Mit fortschreitender Brutzeit wurden die Tiere immer aggressiver und die Kontrollen schwieriger. Das Männchen setzte sich bei Störungen in das Einschlupfloch des Nistkastens und verharrte dort manchmal stundenlang.

Nach Ablauf der Brutzeit habe ich die Eier geöffnet. Das erste Ei war wie erwartet unbefruchtet, wahrend das zweite Ei einen fertig entwickelten und kurz vor dem Schlupf abgestorbenen Jungvogel enthielt. Nur der Dottersack war noch nicht eingezogen. Schon wenige Tage spater gingen die Hyazintharas wieder vermehrt in beide Nistkästen, doch entschieden sie sich nach einiger Zeit offensichtlich für den hoch angebrachten Kasten. Da sich der Bruttrieb wieder zu verstärken schien, habe ich Vitamin B uber das Futter gegeben, um den Schlupferfolg der Jungen zu erhohen. Ab dem 15.7.89 hielt sich das Weibchen plötzlich nur noch im unteren Nistkasten auf. Einen Tag später legte es das erste Ei (22 Tage nach Entfernen des ersten Geleges). Vier Tage später wurde das zweite Ei gelegt. Das Weibchen verließ während der ganzen Brutzeit kaum das Nest. Am 1.8.89 konnte ich zum ersten Mal die Vögel mit Paranüssen nach draußen locken und das Gelege kontrollieren. Beide Eier waren befruchtet! Anschließend habe ich das Nistmaterial gut befeuchtet.

Die ersten Jungen

Am 9.8.89 gelang es mir, obwohl beide Altvogel im Nistkasten waren, mit einer Taschenlampe hineinzuleuchten. Dabei erkannte ich, daß ein Ei angepickt war. Erst drei Tage später, am 12.8.89, schlüpfte das erste Junge. Noch vor dem Schlupf konnte man das Junge aus dem Ei heraus laut piepsen horen. Zwei Tage vor dem Schlupf bis einen Tag danach haben die Hyazintharas kaum Nahrung zu sich genommen. Ich vermute, daß die wenige aufgenommene Nahrung im Kropf sehr gut vorverdaut wird, um die Jungen mit einem richtigen Futterbrei zu versorgen. Das Junge wurde vom ersten Tag an gut gefüttert. Aufgeregtes Verhalten des Männchens beim Schlupf der Jungen, wie es von anderen Autoren (Winkle,1987) berichtet wird, konnte ich nicht feststellen.

Am Morgen des 14. August war das zweite Ei angepickt, und am 16. August schlüpfte das Junge. Die Brutzeit betrug für beide Eier 27 Tage. Andere Autoren geben eine Brutzeit von 28 Tagen und mehr an (Low, 1983; Bonifer, 1985; Volkemer, 1985; Winkle, 1987).

In den ersten Wochen habe ich die Jungen täglich kontrolliert. Sie waren gelegentlich mit Futterbrei beschmiert, ebenso wie das Nistmaterial um sie herum. Vermutlich mußten die Alttiere das richtige Futtern erst erlernen. Wenn man den großen Schnabel ausgewachsener Hyazintharas betrachtet und dazu im Vergleich die winzigkleinen Schnäbel der Jungen sieht, fragt man sich unweigerlich, wie die Aras das Futter übergeben können. In den ersten Wochen hielten sich beide Altvögel viel im Nistkasten auf. Ob Männchen und Weibchen die Jungen fiittern oder nur das Weibchen, konnte ich nicht feststellen.

 Hyazintharas im Alter von 20 bzw. 24 Tagen.

Als das Erstgeschlupfte 14 Tage alt war, warf es sich bei einer Kontrolle (das Zuchtpaar war in der Außenvoliere) auf den Rücken und strampelte wild mit den Füßen. Ich wollte das Junge aus dem Kasten nehmen und kam dabei mit den Krallen in Berührung. Diese Krallen waren messerscharf und hinterließen starke Kratzer auf meiner Hand. Ich vermute, daß schon zweiwöchige Tiere dadurch versuchen, Beutegreifer zu vertreiben. Während der ganzen Nestlingszeit haben sich die Jungen, wenn sie bei Kontrollen allein im Nistkasten waren, auf den Riicken gelegt. Waren die Eltern jedoch mit im Kasten, blieben die Jungtiere ruhig sitzen.

Obwohl ich sicher war, daß die Aufzucht der Jungtiere durch Störungen nicht gefährdet wurde, verzichtete ich auf eine Beringung mit geschlossenen Ringen aus Sorge um das Wohlergehen der Jungen. Gelegentliche Störungen fördern meiner Meinung nach die Verteidigungsbereitschaft und damit auch den Bruttrieb. Dieses wird mit Sicherheit nicht für alle Zuchtpaare gelten. Voraussetzung müssen verhaltnismäßig zahme Vogel sein, die beim Betreten der Volieren nicht fliehen, sondern den Eindringling attackieren. Das ist bei meinen Aras durchweg der Fall. Deshalb habe ich mich auch nicht gescheut, die Jungvögel regelmäßig aus der Nisthöhle zu nehmen und sie zu wiegen, um ihre Entwicklung verfolgen zu können. Leider können die Jungen in der Regel nicht mit leerem Kropf gewogen werden. Bei der Erstellung einer Gewichtskurve muß dieses unbedingt bedacht werden, da ein gefüllter Kropf durchaus 50 g bis 80 g oder mehr wiegen kann und somit das Ergebnis verfälschen würde.

Im Alter von ca. dreieinhalb Wochen hatte ich den Eindruck, daß die Jungtiere im Vergleich mit Fotos von anderen Züchtern (Lafin,1986; Volkemer,1985) nicht richtig wachsen würden. Deshalb habe ich von da an einmal wochentlich Vitamine (Vitacombex, Korvimin) direkt in den Schnabel gegeben. Im Nachhinein bin ich mir nicht mehr sicher, ob die Jungen wirklich zu langsam wuchsen. In Situationen, in denen sich Tiere nicht normal zu entwickeln scheinen, neigen viele Züchter (so auch ich) zu übertriebenen Reaktionen.

Bei Gefahr werfen sich die Jungen auf den Rücken und strampeln mit den Füßen.

Die Jungvogel entwickelten sich, wie den Fotos zu entnehmen ist, von nun an prächtig. Mit ca. 32 Tagen brachen die Schwungfedern und Steuerfedern durch, wenige Tage später erschienen die ersten blauen Federn am Kopf. Ab diesem Zeitpunkt schliefen die Altvögel nachts wieder außerhalb des Nistkastens. Im Alter von ca. 60 Tagen färbten sich die Wangen langsam in Gelb um. Zu diesem Zeitpunkt waren der Kopf und die Flügeldecken schon voll befiedert, wahrend Brust, Bauch und Rücken noch gänzlich ohne Deckfedern waren.

Die ersten aggressiven Verhaltensweisen konnte ich beobachten, als das jüngere Tier 64 Tage alt war. Es schien sich durch den Strahl der Taschenlampe gestört zu fühlen und fauchte zuerst mich an, wendete sich dann plötzlich dem Älteren zu und biß diesem in Kopf und Flügel. Überhaupt schien mir das Jüngere aggressiver zu sein.

Ganze 74 Tage alt, versuchte das zuerst Geschlüpfte zum ersten Mal aus dem Einschlupfloch des Nistkastens zu klettern. Eine Woche später (81 Tage alt) saß es dann auf dem Kasten. Da das Junge an Brust, Bauch und Rücken noch nicht vollständig befiedert war, setzte ich es zurück in die Höhle. Sechs Tage später saß der Jungvogel wieder auf dem Nistkasten. Vergeblich versuchte ich ihn des öfteren zurückzusetzen, er kletterte jedesmal sofort wieder aus der Höhle. Nur einmal fand ich ihn auf dem Boden sitzend vor. Um Verletzungen zu verhindern, bestreute ich den Boden des Innengeheges mit einer

Von oben betrachtet sehen die Jungaras (64/68/ Tage) gut befiedert aus. Die Unterseite ist allerdings kaum befiedert.

dicken Schicht Hobelspäne. Der Jungvogel blieb von nun an auf dem Kasten sitzen. Ich glaube nicht, daß das frühe Ausfliegen die Regel ist. Desgleichen wird zwar auch von einigen anderen Vogelarten berichtet, doch wenn ein freilebender Hyazinthara von der Nisthöhle herabstürzen würde, dürfte er kaum eine Überlebenschance haben. Auch die Vermutung einiger Sittichzüchter, Jungvögel würden frühzeitig ausfliegen, wenn sie schlecht gefüttert würden, dürfte fur meine Hyazintharas kaum zutreffen, da sie in der Regel immer gefüllte Kröpfe hatten. Vielleicht ist das frühzeitige Verlassen doch artspezifisch, auch wenn andere Autoren (Bonifer, 1985; Winkle, 1987) eine längere Nestlingszeit feststellten.

Am 9.11.89 konnte ich beobachten, wie das Männchen das Junge auf dem Nistkasten zweimal fütterte. Danach verschwand es im Kasten und fütterte das zweite Junge. Diese zweimalige Übergabe von Futter behielten die Vögel auch nach dem Ausfliegen des zweiten Jungen bei. Bettelte das zuerst gefütterte um mehr Nahrung, wurde es abgedrängt und sein Geschwister gefüttert. Dadurch wird vermutlich erreicht, daß alle Jungtiere optimal versorgt werden und keines durch aggressives Vordrängen bevorzugt wird. Mit 90 Tagen verließ der zweite Jungvogel den Nistkasten. Mit 95 bzw. 99 Tagen begannen beide zum ersten Mal, auf den Sitzstangen herumzuklettern. Flügelschlagen zum Stärken der Flugmuskulatur war seit dem Verlassen der Nisthöhle regelmäßig zu beobachten. Wenige Tage später flogen sie mit den Alttieren in die Außenvoliere und auch wieder zurück in den Innenraum. Schon auf dem Nistkasten habe ich ihnen Nüsse und Stiicke von eingefrorenen Maiskolben hingelegt. Sie haben damit begeistert gespielt und sogar schon selbständig Mais gefressen. Auch saßen sie sehr bald an den Futternapfen und versuchten eigenständig zu fressen.

 Mit 88 Tagen war dieser Hyazinthara noch nicht fertig vollständig befiedert ausgeflogen.

Mitte November entdeckte ich ein kleines Geschwür auf der Hornhaut eines Auges des männlichen Hyazintharas. Dr. Busche (Heuchelheim) empfahl mir, täglich Augensalbe auf das Auge zu geben. Falls nach einiger Zeit das Geschwür nicht verschwunden ware, sollte versucht werden, es operativ zu entfernen. Zum Behandeln des Auges hätte der Ara allerdings jeden Tag gefangen werden mussen. Das erschien mir im Beisein der Jungvögel nicht angebracht. Deshalb verzichtete ich erst einmal auf eine Behandlung, und nach ca. zwei Wochen war das Geschwür genau so plötzlich verschwunden wie es gekommen war.

Das Zuchtpaar war mir gegenüber weiterhin recht aggressiv. Auffällig war, daß es mehr die Bruthöhle als seine Jungen zu verteidigen schien, denn bei Störungen stürzten beide Vögel oft in die Höhle und ließen ihre Jungen allein sitzen. Dies ist bis zum Selbständigwerden der jungen Aras so geblieben. Weiterhin waren auch noch Scheinkopulationen zu beobachten. Das es sich hierbei wirklich nicht um normale Kopulationen handelt, wurde jetzt besonders deutlich. War nämlich nur ein adulter Hyazinthara bei Störungen außerhalb des Nistkastens, versuchte er mit einem der Jungen zu "kopulieren".

Im Alter von ca. sechs Monaten waren beide Jungvögel in der Lage, sich eigenständig zu ernähren, trotzdem habe ich sie noch einige Wochen bei den Alttieren gelassen. Die Jungen unterschieden sich nur gering von diesen. Sie waren noch etwas kleiner, das Gelb am Schnabel war noch nicht ganz so intensiv und das Gefieder leuchtete nicht so kräftig blau. Ein sicheres Kennzeichen fiir Jungvögel scheint mir der gelbe Fleck an der Zunge zu sein. Dieser ist bei meinen Jungen noch grau-schwarz. Ein Jungvogel hat am Bauch einen unbefiederten Streifen, könnte also ein Weibchen sein, falls dieses tatsächlich ein Erkennungsmerkmal sein sollte.

Das Männchen füttert einen Jungvogel (95 Tage). Deutlich ist im Auge des Altvogels das Geschwür zu erkennen.

Zuletzt möchte ich noch kurz auf die gelbe Schnabelhaut der Hyazintharas eingehen. Gelegentlich ist zu lesen (Robiller,1982; Lantermann,1985), daß die Schnabelhaut sich bei Weibchen in Brutstimmung von orangegelb in hellgelb umfärben soll. Dieses war bei meinem Paar nicht der Fall. Das Männchen hat sogar etwas blassere Wangen als das Weibchen. Vermütlich ist die Färbung abhängig von der Kondition der Aras. Bei kranken Tieren ist die Wangenhaut in der Regel blasser gefärbt. Möglich ist auch daß Hyazintharas aus verschiedenen Verbreitungsgebieten unterschiedlich gefärbte Wangen haben. Dieses von hier aus zu überprüfen ist sehr schwer, da die Vögel nach dem Fang in Sudamerika oft weit verfrachtet wurden, bevor sie nach Europa verschickt wurden. Daher ist die genaue Herkunft kaum in Erfahrung zu bringen. Daß das Gelb aus Gründen der Tarnung (Lantermann, 1985) während der Brut verblaßt, halte ich fur unwahrscheinlich, da ein helles Gelb oftmals besser zu sehen ist als ein dunkleres Gelb. Außerdem sollte das wirkliche Geschlecht der Tiere bekannt sein, bevor irgendwelche Ruckschlüsse gezogen werden. Sicherlich hat die Wangen sowie die Zungenfärbung eine Signalwirkung, doch ist hierüber noch so gut wie nichts bekannt.

Festzuhalten bleibt, daß viele Fragen über das Verhalten und die Lebensweise des Hyazintharas noch nicht beantwortet werden können. Jeder Züchter hat die Möglichkeit, bei der Beantwortung einiger Fragen mitzuhelfen. Wichtig ist dabei nur genaues Beobachten und auch das Veröffentlichen der gemachten Erfahrungen.

Literatur

Bonifer, E. (1985): Haltung und Zucht des Hyazintharas. Geflügel Börse, 106, 21/85, S. 14
Hohenstein, K.F. (1987): Werkzeuggebrauch bei Papageien. Gefiederte Welt 111, 12/87, S. 329-330
Lafin, C. (1986): Erfolgreiche Handaufzuchten beim Hyazinthara. Die Voliere 9, Heft 4 (1986), S. 124
Lantermann, W. (1985): Zur Funktion und geschlechtsabhängigen Gelbfärbung der mandibularen Wurzelhaut beim Hyazinthara. Die Voliere 8, Heft 8, S. 265
Low, R. (1983): Das Papageienbuch. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart
Müller-Bierl, M. (1988): Zu Werkzeuggebrauch bei Papageien. Gefiederte Welt 112, 3/88, S. 62
Robiller, F. u. Trogisch, K. (1982): Ein Beitrag zum Verhalten des Hyazinthara. Die Voliere 5, Heft 6, S. 207
Volkemer, G. (1985): Zucht des Hyazinthara. Gefiederte Welt 109, Heft 1/85, S. 7
Winkle, D. (1987): Die Zucht des Hyazintharas. Die Voliere 10, Heft 2, S· 40

Erschienen in: "Papageien" (Ausgabe 2/90)